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Sonntagszeitung, 22.01.2022:

«Wir sind keine Schöngeister»

Interview: Innovative Stadthotels – Leopold Weinberg hat Sinn für Kunst und vergleicht seine Hotels in Zürich und Basel mit Lederjacken.

 

Warum eröffneten Sie ausgerechnet im Corona-Jahr 2021 das Hotel Volkshaus in Basel?

Wir sind schon seit 2012 im Volkshaus tätig, mit der Eröffnung des Hotelteils haben wir nun unser Versprechen gegenüber der Stadt Basel eingelöst. Ein neues Hotel hat eine lange Vorlaufzeit und ist oft eine Blackbox, weil immer was dazwischenkommen kann. Aber in Basel liegen wir gerade wegen Corona richtig mit unserem Konzept.

Weshalb?

Das Volkshaus ist ein Boutique-Hotel mit nur 45 Zimmern. Rein vom Platz her hätten wir auch 70 bauen können, aber wir wollten dem Gast möglichst viel Komfort bieten. So können wir uns von den Kettenhotels abheben.

Was unterscheidet Ihre Stadthotels sonst von den Motel-One- oder Accor-Häusern?

Das Lederjacken-Prinzip!

Wie bitte?

Was wir bauen und einrichten, soll von guter Grundqualität sein – mit der Abnutzung aber gewinnen und zur Institution werden. Wie eine teure Lederjacke.

Rechnet sich das wirtschaftlich?

Da kommt ein weiteres Grundprinzip ins Spiel: Wir investieren asymmetrisch. Wir setzen Akzente, die dem Gast besonders auffallen sollen. Der Bartresen im Volkshaus kostete ein kleines Vermögen, die Stühle im Bistro wurden von Herzog & de Meuron nach einem Vorbild, das wir im Keller gefunden hatten, exklusiv entwickelt. Der Unterbau ist gleich, die Lehne bei allen etwas anders. Aber wir halten Bau und Einrichtung auch mal einfach und kostengünstig, wechseln einen alten Boden nicht aus, sondern frischen ihn auf.

Wo sind Kompromisse verboten?

Dort, wo der Gast sozusagen körperlich mit dem Produkt in Berührung kommt. Im Volkshaus in Basel und im Helvetia in Zürich schläft man in teuren Betten. Die Pflegemittel im Bad sind hochwertig, und auch in der Gastronomie machen wir keine Kompromisse bei Produkten und Service.

Lohnen sich Hotelrestaurants noch?

Im Volkshaus und im Helvetia gehört das Primat der Gastronomie. Sie bringt Seele in ein Hotel, auch wenn man gerade während Corona mit Restaurants kaum Geld verdient und es schwieriger wird, gute Mitarbeitende zu gewinnen.

Wie positionieren Sie die beiden Hotels?

Wir sehen sie als eigene Destinationen, sozusagen als Städtli in der Stadt, wo man 24 Stunden essen, etwas erleben, schlafen oder arbeiten kann. Wir schaffen verschiedene Outlets in einem Haus, die sich gegenseitig befruchten.

Warum legen Sie so viel Wert auf Kunst?

Wir haben eine kleine Sammlung zeitgenössischer Kunst aufgebaut, mit unserem privaten Geld. Wir öffnen nun sozusagen unsere eigene Wohnstube. Die Kunst trägt zur Ambiance in den Betrieben bei, mit dem Nebeneffekt, dass die Crews in schönen Räumen arbeiten. Wir stecken viel Herzblut in die Kunst und haben ein grosses Netzwerk in der Szene. In Basel ist uns ein Coup gelungen. Der berühmte Künstler Imi Knoebel hat für die Bar im Volkshaus Glasfenster geschaffen, selbst für die Kunststadt Basel ist das grossartig.

Aber wie passt Kunst zum flüchtigen Publikum in Gastronomie und Hotels?

Es geht uns nicht darum, Kunstwerke auszustellen oder an die Wand zu hängen. Wir wollen das Netzwerk spielen lassen. Diese Affiche passt zu unserm Nischenprodukt, das Gäste anzieht, die auch auf den zweiten Blick etwas Neues entdecken wollen.

Rechnen sich Ihre Anstrengungen?

Natürlich stehen wir am Morgen auf, um Geld zu verdienen. Wir sind keine Schöngeister. Corona bleibt eine gewaltige Herausforderung; momentan sind unsere Stadthotels nur zu 30 Prozent ausgelastet.

Hegen Sie Expansionspläne?

Bevor ich in Pension gehe, möchte ich noch gerne zwei, drei weitere Betriebe eröffnen: Boutique-Hotels in der Schweiz oder im Ausland. Es liegen auch verschiedene hybride Konzepte bereit.

Was muss man sich darunter vorstellen?

Ein Wohnzimmer mit Gastronomie und darüber Hotelzimmer und Appartements für Kurz- und Langzeitaufenthalter, für Gäste, die bei Bedarf Hotelservices in Anspruch nehmen. Das ist eine Beherbergungsform der Zukunft.

 

Der Zürcher Architekt, Gastronom und Immobilien-Entwickler Leopold Weinberg betreibt mit seinem Geschäftspartner Adrian Hagenbach die Boutique-Hotels Helvetia in Zürich und Volkshaus in Basel und beschäftigt 100 Mitarbeitende.