Franz Gertsch – «Doris»
Franz Gertschs erste Bilder können im Lichte der Pop Art betrachtet werden: Kompositionen nach Fotografien, Reduktion der Figuren auf Silhouetten, Fehlen von Details, Vereinfachung der Formen und flache Farben. An der Wende zu den 1970er Jahren materialisiert der Künstler dagegen die Präzision des fotografischen Bildes, indem er mit einer solchen Akribie malt, dass seine Bilder aus der Ferne «realer» als die Wirklichkeit erscheinen. Diese Grossformate, die oft auf Fotografien basieren, die Gertsch selbst aufgenommen hat, erzählen durch Künstlerporträts und Genreszenen die Geschichte einer Epoche.
Auf der Suche nach neuen bildnerischen Lösungen fertigte Gertsch 1986 seine ersten Xylographien mit einer gerade entwickelten Technik: Er drückte die Holzplatte mit einem Stechmesser so an, dass er durch Tausende von kleinen, unterschiedlich tiefen Punkten eine möglichst nuancierte Modellierung des Ausgangsbildes erhielt. Das Originalbild wird auf die Matrix projiziert, die mit einer dünnen Schicht blauen Farbstoffs bedeckt ist, so dass der Künstler den Fortschritt seiner Arbeit verfolgen kann, indem er jede Markierung dank des hinterlassenen Lochs sichtbar macht. Die Fläche, die im Relief verbleibt, wird eingefärbt und bedruckt, während die gestrichelte Linie in eine Reserve (das Weiss des Papiers) übersetzt wird.
Gertsch stellt seine Farben aus reinen, in Kyoto gekauften Pigmenten selbst her und bestellt sein Papier bei einem der besten japanischen Hersteller, Heizaburo Iwano. Das manuelle Drucken jedes Drucks mit grossen Vergrösserungslinsen ist heikel und erfordert die Zusammenarbeit mehrerer Personen, einschliesslich des Künstlers. Jeder der achtzehn Drucke, aus denen sich die Edition Doris zusammensetzt, ist in einem anderen Farbton nach drei chromatischen Untergruppen gedruckt. Jede Variante hat ihre eigene Aura, aber alle liefern ein aussergewöhnliches haptisches Gefühl und eröffnen eine neue Wahrnehmung des Bildes.
„Ich werde immer wieder gefragt, wie ich denn von der Malerei zu den Holzschnitten gekommen sei, und kann eigentlich nur sagen, dass ich bei dem letzten [Öl-]Bild, der ‹Johanna›, immer gedacht habe: ‹Ich möchte Holzschnitte machen.› Das ist bei meinen Arbeiten oft so gewesen, dass ich das ungeeignetste Mittel gerade als Herausforderung wählte. Es gibt doch nichts Ungeeigneteres als einen Holzschnitt, [..] um Dreidimensionalität umzusetzen. […] Eines Tages bin ich hingegangen, habe das Hohleisen genommen und angefangen, diese Punkte zu schneiden. Beim ersten Holzschnitt gibt es auch noch einige Linien, aber schon beim zweiten habe ich das aufgegeben. […] Die ersten Holzschnitt-Portraits [mit drei Druckplatten] waren noch nicht monochrom, da hatte ich noch das Bedürfnis einer minimalen Farbigkeit. […] Es war ein ganz wichtiger Schritt, nur die eine Platte, die eine Lichtzeichnung zu verwenden. Das Licht war wirklich nur noch ausgespartes Papier. Das Bild entsteht aus der klaren Balance zwischen der einen Farbe und dem Papier.“ (Franz Gertsch, in: Ausst.Kat. Baden-Baden u.a. 1994/95, S.14f.)
Titel:
Doris
Woodcut on Kumohadamashi Japanese paper
\n244 x 184 cm
Künstler:
Franz Gertsch
Standort:
Volkshaus Basel, Brasserie